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Julia Zorn Gastbeitrag: Vertane Chancen und Perspektiven im Frauen-Eishockey in Deutschland

Julia Zorn Gastbeitrag: Vertane Chancen und Perspektiven im Frauen-Eishockey in Deutschland

Wer in Deutschland als Frau professionell Eishockey spielen will, kann damit leider nicht seinen Lebensunterhalt verdienen. Wir Frauen müssen eher noch Geld mitbringen, um den geilsten Sport der Welt auf höchstem Niveau betreiben zu können. Mein Name ist Julia Zorn und ich möchte in diesem Blogartikel über das Frauen-Eishockey in Deutschland sprechen – über vertane Chancen und die Perspektiven meines geliebten Sports.

Was wäre, wenn … Frauen-Eishockey dem Männer-Eishockey gleichgestellt wäre

In der Politik und in der Wirtschaft wird viel über Gleichberechtigung von Mann und Frau geredet. Es geht in den Debatten um Quoten für Frauen in Führungspositionen oder um gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Sicherlich wurde in den letzten Jahren auch in der Sportwelt versucht hier an einigen Stellschrauben zu drehen. Doch dieser Aufwärtstrend geht in manchen Bereichen einfach noch zu langsam, vor allem, wenn man in andere Länder blickt.

Aber immerhin wird in vielen Branchen des Lebens über Missstände und Ungerechtigkeiten diskutiert. Das fehlt mir im Sport. Das fehlt mir in meinem Sport Eishockey. Das erlebe ich seit vielen Jahren und bis zum heutigen Tag, weil ich selbst über viele Jahre Eishockey in der DFEL und in der Nationalmannschaft gespielt habe und noch spiele. Versteht diesen Blog nicht als Hilferuf, sondern als Anstoß einer Debatte. Für das Frauen-Eishockey, für die Zukunft unserer geliebten Sportart.

Lasst uns dazu mal ein Gedankenexperiment wagen und gemeinsam die Frage beantworten: Was wäre, wenn Frauen-Eishockey dem Männer-Eishockey gleichgestellt wäre:

  • Jeder Verein bietet Frauen-Eishockey an
  • Es gibt in allen Altersklassen einen weiblichen Nachwuchs-Bereich, Mädels müssen nicht mehr in Mixed Teams bei den Jungs mitspielen
  • Frauen-Eishockey ist ein Breitensport mit einem etablierten, breiten Ligasystem
  • Die Nationalmannschaft hält konstant mit den besten Teams der Welt mit
  • Zuschauer strömen zu den Spielen in den Profiligen und der Nationalmannschaft
  • Sponsoren unterstützen Teams, Vereine und einzelne Athletinnen
  • Medien berichten regelmäßig über das Frauen-Eishockey

Was wäre wenn … vs. Realität im deutschen Frauen-Eishockey

Der Gedanke von einem gleichgestellten Frauen-Eishockey in Deutschland klingt doch eigentlich nicht so verkehrt oder? Denn dadurch würde die Sportart in ihrer Gesamtheit profitieren, also auch der Profisport der Männer und der männliche Nachwuchsbereich.

Leider ist die Realität momentan noch eine andere. Das weiß ich von den vielen Mädchen, die im Nachwuchs tätig sind und leidenschaftlich Eishockey spielen. Und das haben meine Mitspielerinnen und ich die letzten Jahrzehnte durchlebt. Die Realität ist oft traurig, aber wahr. Das soll nicht heißen, dass wir uns beschweren wollen, denn ich bin der Meinung, dass wir auch selbst unseren Beitrag dazu leisten müssen, dass es in Zukunft bessere Bedingungen gibt.

Nachwuchs und Vereinsleben im deutschen Frauen-Eishockey

Nur die wenigsten Eishockey-Vereine bieten Frauen-Eishockey an. Es gibt keinen Verein, der alle Altersklassen im Frauen-Nachwuchs besetzen kann. Mädels spielen fast immer in Mixed Teams. Einige Vereine wollen erst gar keine Mädels im Nachwuchs aufnehmen, aber generell fehlt einfach noch die breite Masse, um bereits von Klein auf einen reinen Mädchen Nachwuchs stellen zu können.

Ich habe selbst bis 21 bei den Jungs mitgespielt und war ab 13 parallel in der Frauen-Bundesliga unterwegs. Beides war eine gewaltige Herausforderung und eine optimale Förderung könnte durchaus anders aussehen. Klar, Frauen-Eishockey ist leider kein Breitensport. Dennoch würde ich mir wünschen, dass Vereine Jungs und Mädels im Nachwuchs gleichermaßen fördern. Einfach nach ihrer Leistung und nicht danach, ob ein Zopf unter dem Helm hervor schaut oder nicht.

Es wäre doch cool, wenn man sagt „Wir wollen für die DEL und die DFEL Spieler und Spielerinnen ausbilden.“

Frauen-Nationalmannschaft und Profi-Bereich (DFEL)

Die verhältnismäßig wenigen Frauen, die Eishockey auf höchstem Niveau spielen, machen ihre Sache überragend und mit großem Herzblut. Trotzdem kämpfen wir mit der Frauen-Eishockey-Nationalmannschaft um jede Olympia-Teilnahme. Gegen die großen Eishockey-Nationen sind wir leider noch zu weit weg. Klar, man ist um die Förderung der Sportfördergruppe sehr dankbar und ohne diese gäbe es nicht eine Spielerin in Deutschland, die sich rein auf den Sport konzentrieren könnte.

Aber würden die Vereine (und damit meine ich nicht die Vereine, die in der DFEL spielen, sondern auch alle anderen) mehr auch auf weibliche Spielerinnen setzen, würde man sich auch International leichter tun. Mehr Spielerinnen bedeutet mehr Konkurrenzkampf und eine eigene stärkere Liga.

Der zuletzt größte Erfolg für das Frauen-Eishockey in Deutschland ist eigentlich, dass wir vom DEB mit der DFEL (Deutsche Frauen Eishockey Liga) als Profiliga anerkannt wurden. Das war in Zeiten von Corona und einzig und allein die Rettung, überhaupt weiterspielen zu dürfen. Zuschauer hatten wir übrigens mit ganz wenigen Ausnahmen in ein paar DFEL Clubs weder vor, noch nach Corona. Da sind wir gleich beim nächsten Problem: Zur nachhaltigen Entwicklung des Frauen-Eishockeys mangelt es an Struktur und Finanzierung.

Der Verband hat die letzten beide Jahre versucht auch die Liga nach vorne zu bringen, zumindest kann man jetzt schon mal alle Spiele Live im Internet verfolgen. Aber so oft würde ich mir wünschen, dass noch mehr Leute an dem Strang ziehen, der den Sport nach vorne bringen soll.

Finanzierung und Unterstützung für das Frauen-Eishockey in Deutschland

Da wir leider in der DFEL meistens nur vor einer Hand voll Zuschauern spielen, hält sich das Interesse von Medien und Sponsoren mehr als in Grenzen. Unternehmen, die Frauen-Eishockey unterstützen, machen das aus purer Leidenschaft. Versteht uns nicht falsch, dafür sind wir sehr dankbar. Aber es gibt noch zu wenige Sponsoren, was bei diesen Voraussetzungen leider auch irgendwo nachvollziehbar ist.

Keine relevanten Einnahmen aus Zuschauern und Sponsoren sowie kaum existentes Medieninteresse münden darin, dass Eishockeyspielerinnen in Deutschland gar kein Geld verdienen. Im Gegenteil: Sie müssen noch Geld für Ausrüstung, Auswärtsfahrten und vieles mehr mitbringen.

Das kann sich nicht jede Spielerin auf Dauer leisten. Mit Ausnahme der wenigen über die Bundeswehr finanzierten Förderplätze müssen Frauen neben dem beinahe Full-Time-Job Eishockeyspielerin einen weiteren, bezahlten Full-Time-Job ausführen. Auch das ist für ein nachhaltig erfolgreiches Frauen-Eishockey alles andere als förderlich. Ohne Spitze keine Breite – und andersherum.

Fazit: Perspektiven des Frauen-Eishockeys in Deutschland

Ja, die Realität ist hart und die vielen Probleme sind frustrierend. Aber in jedem Problem schlummert auch die Chance auf Besserung. Ich werde das zwar als aktive Eishockeyspielerin nicht mehr erleben, aber ich glaube an eine bessere Zukunft des deutschen Frauen-Eishockeys.

Der Frauen-Fußball macht es gerade vor, wie man Schritt für Schritt nach vorne kommt. Eishockeyspieler wie Moritz Wirth, der durch diesen Blog unserem geliebten Sport eine Plattform bietet, helfen mit und solidarisieren sich. Wir Eishockeyspielerinnen sind gewillt, an der Entwicklung unseres Sport aktiv mitzuarbeiten. Alle genannten Probleme sind Chancen, die wir gemeinsam angehen können. Schritt für Schritt.

Auch Du als Leser kannst einen kleinen Beitrag leisten. Teile meinen Blogartikel einfach mit deinen Freunden. Und schickt eure Mädels zum Eishockey-Probetraining in einem Verein, der euch am nächsten ist. Danke für eure Aufmerksamkeit, Eure Julia Zorn.

Foto: Michael Kahms

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